Januar 21, 2008

Kino: ONCE

Gemessen an ihrem verschwindend geringen Budget kann sich die Independentproduktion "Once" nicht gerade über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen. Die Geschichte eines irischen Straßenmusikers, der gemeinsam mit einer tschechischen Immigrantin ein Album aufnehmen möchte, hat sich nicht nur in die Herzen von Steven Spielberg, der den Film seinerzeit zum Kraft schöpfenden Kinohöhenflug des Jahres erklärte, und dem Publikum des Sundance Film Festivals gespielt, sondern begeistert auch weltweit die Kritik. Dem analytischen Kleingeist muss Regisseur John Carney zwar erst einmal den Wunsch nach filmischer Komplexität austreiben, wer aber über die eher spontan denn durchgeplant erscheinende Inszenie- rung samt Drehbuchmängel und einer gewissen Ziel- und Richtungslosigkeit hinwegsehen kann, der wird mit einem der ehrlichsten, sympathischsten Musikfilme der letzten Jahre belohnt.

Es ist die enorme Aufrichtigkeit mit der "Once" seine Geschichte erzählt, die jede Distanz nach wenigen Augen- blicken überwindet. Der Film versprüht von Beginn an eine ungezwungene, natürliche und lebensbejahende Stimmung, integriert seine melancholischen Gitarrennummern wie von selbst in einen beinahe märchenhaften Rahmen. Obwohl der Straßenlook ungefilterte Authentizität verheißt, schwelgt der Film mehr in einer fantasievollen, nicht selten naiven, ungewöhnlichen Liebesgeschichte, die über viele tolle Singer/Songwriter-Nummern getragen, zusammengehalten und vor allem auch charakterisiert wird. In seiner etwas eckigen ungeschliffenen Art wirkt "Once" deshalb auch wie ein verfilmtes Demotape. Ganz nach dem Motto ‚The Soundtrack of my Life’ verkörpert The Frames-Bandleader Glen Hansard den teddybärigen Gitarrenspieler mit einem großen Schuss Alltagspoesie und einem noch größeren Schuss empathischer Kleinkunst.

Musik ist in Carneys Film die einzige wirkliche Sprache, sie ist der Schlüssel zur Kommunikation, das Bindeglied zwischen den Figuren, das alles antreibende Element. Sie bildet somit die wichtigste Form der Filmsprache, weil sie das Gerüst aufrechterhält, vielmals die Dialoge ersetzt, die unglücklichen Digitalbilder kaschiert und sowohl das äußere, den Film bindende, als auch das innere, die Geschichte wiedergebende Funktionsmittel darstellt. Hier ist "Once" deshalb letztlich ein ungewöhnlicher, aber doch deutlicher Musical-Vertreter, der sich trotz unbeholfener Dramaturgie und Technik gänzlich seinem Sujet verschreibt: Ein zwar spartanisch inszenierter, einfacher, bescheidener, aber ebenso klar sich selbst verpflichteter Film. Das ‚was’ muss transportiert werden, das ‚wie’ untersteht den Mitteln. Und weil sich Carney so wunderbar nachvollziehbar der Kraft der Musik hingibt, sich ihrer Entstehung, ihrer Bedeutsamkeit widmet, mit einer wahrhaftigen Liebe fürs Musizieren, spielt die Form schnell keine Rolle mehr.

Der Film begibt sich mit diesem Konzept ohnehin ganz selbstverständlich auf Augenhöhe seiner Figuren. Wie der Junge und das Mädchen vorsichtig zueinander finden, ohne Geld und ohne Mittel ihrem Wunsch nach Ausdruck näher kommen, transportiert Carney mit zwar formalen, nicht aber inhaltlichen Grenzen umso glaubwürdiger – was die gewollt oder ungewollt dokumentarische Cadrage von "Once" unterstützt. Dass der Film, obwohl er vieles zu sagen hat und noch mehr zu sagen hätte über soziale Stati und über die Wertschätzung des Einfachen, nie ganz ausbricht, nie den Blick erweitert und nie nach einem größeren Gefüge forscht, er deshalb immer auch ein wenig beschränkt, etwas sympathisch provinziell, aber doch beengt für sich stehend bleibt, muss man ihm unbedingt verzeihen. Spätestens dann, wenn einem die abgeriebenen Einkerbungen an der Korpusdecke der Gitarre auffallen – denn wann hat ein Film jemals einen charmanteren Ausdruck für die so genannten Spuren eines Lebens gefunden?

75%