September 20, 2007

Kino: SHOOT 'EM UP

Es gehört nicht viel dazu, "Shoot ’Em Up" den Status als neues heißes Ding vorauszusagen. Ganz sicher wird das der Film, um den sich noch in vielen Jahren Internetdiskussionen und Forengerüchte ranken werden, ob er in dieser oder jener Fassung nun Uncut, Unrated und ganz besonders bluttriefend sei, ob er cooler als "The Boondock Saints" und schnittiger als der letzte Guy Ritchie wäre, und inwiefern er eine inoffizielle Entschädigung für das bisherige Hollywoodschaffen des John Woo bildete. Das alles dann sicher nicht unberechtigt. Vor allem nämlich macht "Shoot ’Em Up" als die kurzweiligste Dauerschießerei seit langem deshalb so viel Spaß, weil er ganz hinter seinem veritablen Selbstbekenntnis steht: Bietet er doch für eigentlich etablierte Charak- terschauspieler wie Clive Owen oder Paul Giamatti die Möglichkeit, dem Typecasting zuwider sinnentleert drauflos zu ballern – und das niemals auch nur eine Sekunde ohne jenes Augenzwinkern, welches ihn als Große Jungen-Spiel so unterhaltsam gestaltet.

Gleich zu Beginn fliegen die Fetzen, da wird auf alles geschossen, was sich bewegt, spritzt das Blut aus Arm und Bein, Kopf und Mark. Mittendrin Owen, der da anknüpft, wo er zuletzt mit "Children of Men" aufhörte: Er durchschießt die Nabelschnur eines Säuglings und ist fortan in bester "Hard Boiled"-Manier darum bemüht, das quengelnde Neugeborene vor irgendwelchen Gangstern zu beschützen. Niemand weiß, wer hier eigentlich wer ist oder was irgendjemand in diesem Schlamassel wirklich möchte – außer sein gegenüber in der Luft zu zerfetzen –, und gerade weil der Zuschauer keinen blassen Schimmer von dem hat, was da in kurzen 80 Minuten erzählt wird, kann er sich ohne Umschweife an den kreativen, findigen, irrealen, also ganz einfach besonders ansehnlichen Actionchoreographien erfreuen.

Den kargen Actionheld gibt Owen dabei mit gewohntem Charisma, keine Geste zu viel und kein One Liner zu wenig. Ihm zur Seite steht Monica Belucci, die selbst als verdorbene Nutte und Fetisch-Milchspenderin überfordert scheint, erfreulicherweise aber stets Sidekick im Duell Owen versus Giamatti bleibt. Höhepunkt hinsichtlich oben beschriebener Kult-Gütesiegel ist dabei eine Sexszene zwischen Belluci und Owen, bei der ein Bösewicht nach dem anderen zur Strecke gebracht wird, während manch gymnastische Sonderstellung die enorme Absurdität des ganzen mit großer Freude vorführt. Da erreicht dann nur noch der vorantreibende Zynismus größere Ausmaße, so doch besagtes Baby in allerlei höchst zwiespältige und selbstredend nicht minder amüsante Gefechte gerät. Das ist schon zweifellos ein sonderbarer Humor in "Shoot ’Em Up".

Und all die Verweise aufs Genre, auf die Ikonen und Helden des Kinos, die Zitate und Selbstreferenzen ("Fuck me sideways!") kommen so leichtfüßig, so ironisch und ungezwungen daher, dass man Michael Davis' Film gar richtig lieb haben kann. Und das auch trotz all der gorigen Geschmacklosigkeiten darin: Denn wie schrecklich kann es sein, dass Owen während eines Fallschirmsprungs dutzende Kerle erledigt, indem er sie erschießt, als Schutzschild benutzt und schließlich in die rotierenden Helikopterflügel befördert, wenn er sich anschließend ganz wie Bugs Bunny eine gesunde Karotte zwischen die Zähne steckt? Selten war ein Titel so schlicht Programm – "Shoot ’Em Up" ist die beste Comicverfilmung, die kein Comic verfilmt.

60% - erschienen bei: DAS MANIFEST