Juli 01, 2007

Retro: BEETLEJUICE (1988)

Wenn es überhaupt einen Tim Burton-Film gibt, der ausschließlich von seinen visuellen Ideen lebt, der sich wie die Bebilderung eines illustren Brainstormings lesen lässt, der also ganz auf seine verrückten Einfälle und liebenswert- schrulligen Gruseleinlagen vertraut, dann womöglich "Beetlejuice". Nach dem hierzulande eher unbekannten, aber immens erfolgreichen Debüt "Pee-wee's Big Adventure" ist dies der erste ‚wirkliche’ Burton, sowohl seine schaurig-schönen und gleichzeitig romantisch geprägten Sujets als auch die Verlagerung hin zu makaberem Friedhofshumor betreffend. Er vereint darüber hinaus viele der künftigen Burton-Weggefährten vor und hinter der Kamera. Drehbuchautor Warren Skaaren schrieb im darauf folgenden Jahr auch an "Batman" mit, ebenso wie fast der gesamte Cast noch zahlreiche Male gemeinsam mit dem Regisseur arbeiten sollte, darunter vor allem Catherine O’Hara ("The Nightmare Before Christmas"), Michael Keaton ("Batman Returns"), Winona Ryder ("Edward Scissor- hands") und Jeffrey Jones ("Ed Wood").

Spätestens mit der Geschichte eines untoten Ehepaars, das auf den lotterigen Poltergeist Betelgeuse zurückgreift, um sich der ungebeten lebenden Neubewohner zu entledigen, festigt sich Burtons spezifischer Stil, wie sich auch endgültig Vorwürfe erhärten dürften, nach denen der Regisseur narrative stets hinter visuelle Notwendigkeiten stellte. Manch inszenatorische Unsicherheiten lassen jene Vorwände noch nicht in dem Umfang widerlegen, wie es mithilfe der späteren Arbeiten Burtons wird möglich sein, da er bei der Konstruktion seiner Ereignisketten noch zu sehr damit beschäftigt scheint, einen Gag nach dem anderen abfeuern zu müssen, ohne dass ihm die Kaschierung einiger holpriger Knotenpunkte in der Erzählung derart elegant gelingen würde, wie es schon kurze Zeit später der Fall sein würde. Dabei ist "Beetlejuice" in seiner Horrorästhetik, den Unmengen fast schon anarchisch-komischer Slapstick-Nummern und hervor- ragenden, ganz bewussten old school-Effekten selbst noch als reine Nummernrevue ein großartiges Vergnügen, dass seine Drehbuchschwächen mit zahlreichen Reminiszenzen quer durch die Genre-Geschichte und ironisch verdrehten Horrorklischees gelungen zu verdecken versucht.

Das grundsätzliche Handlungskomplott liest sich bereits wie eine große Anspielung auf Clive Barkers Literaturverfilmung "Hellraiser", auf die der Soundtrack von Danny Elfman in dem Moment des Höllenabstiegs auch direkt verweist: Hier wie dort nisten sich auf dem Dachboden die verstorbenen Bewohner des Anwesens ein und sind es die sonderbaren Töchter der Neuzugezogenen, die hinter das dämonische Treiben kommen. Freilich jedoch könnten die Unterschiede im Ton kaum größer ausfallen, und hier liegt ohnehin die eigentliche Stärke an "Beetlejuice", der die Vorzeichen seiner Vorbilder – die von klassischen haunted house-Vertretern wie "The Innocents" und "The Haunting" über postmodern-komödiantische Filme von "Poltergeist" bis "Ghostbusters" reichen – sowohl in Theorie wie auch Praxis komplett abändert. So setzt schon die ausgehende Grundhaltung einen amüsanten Kontrapunkt: Nicht die Geister erscheinen als störende Antagonisten, sondern die menschlichen Figuren sind es, die das tote Heldenduo des Films zur Verzweiflung bringt.

Diese verquerten Genregesetze bilden die augenzwinkernde Intention von "Beetlejuice" und durchziehen sämtliche Details der Handlung und ihres Designs – bis hin zum Spielort, einem nicht imposanten, düsteren (Geister)Schloss, sondern außen weiß gestrichenen und innen quietschbunt eingerichteten New Wave-Gemach. Dass sich Burton also ausschließlich der Regel bedient, keine Regeln zu bedienen, bietet ihm ausgiebig Raum für die Entfaltung seiner mal surrealistischen, mal pervertierten Fantasien und spiele- rischen Umgang mit Zitaten und Verweisen. Genannt seien nur Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari", dessen expressionistische Raumschrägen in der Höllenflurszene kopiert werden, und David Lynchs "Dune", an den der übergroße Sandwurm im Außenreich des Hauses erinnert. Nie aber wird das Spiel mit filmischen Referenzen zur bloßen Koketterie, immer fügen sie sich in das überaus eigenständige und für sich genommen bereits ausreichend originelle Interieur der Burtonschen Gedankenwelt. Daraus ergibt sich zwar kein Meisterwerk – amüsanter als manch andere Horrorkomödie der 80er ist das aber allemal.


70%