Januar 16, 2007

Kino: BLOOD DIAMOND

Der liberianische Bürgerkrieg in den 90er Jahren bildet den zeitlichen und räumlichen Hintergrund für Edward Zwicks Film "Blood Diamond". Der Titel verweist auf die so genannten „Konflikt-Diamanten“, die als Währung der Rebellenführer, Terroristen und Schmuggler die Unruhen in Sierra Leone finanzierten, und auch als „Blutdiamanten“ bezeichnet werden – für die Gewinnung der begehrten Steine wurden zahlreiche Teile der afrikanischen Bevölkerung misshandelt, bis 1999 über 5000 Kindersoldaten zwangsweise rekrutiert. Der illegale Handel mit den Diamanten ist auch nach Beendigung des Krieges ein Problem: Nur schwer lässt er sich kontrollieren, gelangen Steine aus Konfliktregionen in den regulären Handel – ungewiss, welche korrupten Wirtschaftsunternehmen mit ihrer Beteiligung dadurch weiterhin Unruhen in Krisengebieten finanzieren.

Kein bedenkenloser Stoff für einen Hollywoodfilm, der selbst erklärt, seine anspruchsvolle Thematik in möglichst unterhaltsamer Verpackung präsentieren zu wollen. Oder umgekehrt. Zweifel sind auch berechtigt, wenn ausgerechnet der Regisseur solch erzkonservativer Machwerke wie "Glory" oder "The Siege" sich diesem Komplex widmet – doch „Blood Diamond“ gelingt es zunächst erstaunlich fesselnd, sein Anliegen zu vertreten. Die ersten Minuten sind beklemmend intensiv, Zwick zeigt das Grauen des Bürgerkrieges in schonungslosen Bildern amputierter Zivilisten, erschossener Frauen und Kinder und niedergebrannter Dörfer. Er vermittelt stilistisch sicher und distanziert die Atmosphäre seines Schauplatzes, führt all seine Figuren geschickt ein und bebildert ohne Umschweife den groben politischen Kontext des Films.

Sind die narrativen Stränge erst einmal geschnürt, entfernt sich der sicherlich ambitionierte "Blood Diamond" allerdings schnell von seiner strengen Nüchternheit. Zwick ist zunehmend weniger an problemorientierten Kernpunkten, denn kantenloser Abenteueraction interessiert. Über die reine Darstellung grausiger, Gänsehaut erzeugender Aufnahmen von Kindern mit Maschinengewehren geht das nicht hinaus – weder Ursachen noch Auswirkungen in ihrer eigentlichen Komplexität werden im Film behandelt (die Rebellen erscheinen als dumpfe Meuchelmörder und die Figuren im politischen Kabinett, beispielsweise Präsident Joseph Saidu Momohs, spielen überhaupt keine Rolle!). Stattdessen mimt Leonardo DiCaprio in einer Mischung aus den Bogart-Charakteren eines "The Treasure of the Sierra Madre" und dem Typus des Indiana Jones den egoistischen Schmuggler, trägt dabei jedoch nicht nur einige Zentimeter zu dick auf, sondern verdrängt vor allem den eigentlichen Mittelpunkt des Films: Die Geschichte eines Ex-Söldners, dessen Sohn entführt und zum Kindersoldaten ausgebildet wird.

Diese Schwerpunktverlagerung zugunsten einer unterhaltsamen Diamantenjagd ist nachvollziehbar, aber höchst bedauerlich. Zumal "Blood Diamond" trotz seines Verzichts auf konkrete Problematisierungen gern Antworten auf all seine tangierten Themenbereiche erteilt. Das hat spätestens im großen Finale fatale Auswirkungen, wenn der um jegliche Unschuld beraubte Junge die Handfeuerwaffe gegen die Arme seines Vaters eintauscht – so einfach und herzergreifend lassen ich komplexe Wahrheiten in kinogerechte Lösungen umdichten. Man könnte es deshalb ganz einfach böse formulieren: Der Film missbraucht seinen Gegenstand für eine mit konventioneller Spannungs- dramaturgie erzählte Schatzsuche, die im dösigen Ethno-Ambiente naiv und bisweilen überaus ärgerlich geriet. Letztlich werden in diesen belehrenden zwei Stunden nur Schauwerte und das gute Gewissen bedient.


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